Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 02.11.1999
Aktenzeichen: 16 W 169/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 733
Wird die vollstreckbare Ausfertigung eines Titels bewußt vernichtet, spricht die Vermutung dafür, daß die titulierte Forderung bezahlt ist.
16 W 169/99 2 O 267/71 LG Flensburg

Beschluß

In dem Klauselerteilungsverfahren

der,

Schuldnerin und Erinnerungsführerin,

- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

Gläubigerin und Erinnerungsgegnerin,

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Beschwerde der Schuldnerin vom 07. Juni 1999 gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 19. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 02. November 1999 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Zwangsvollstreckung aus der am 22. März 1999 der Gläubigerin erteilten zweiten vollstreckbaren Ausfertigung des am 19. Oktober 1972 verkündeten Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird für unzulässig erklärt.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des Verfahren nach einem Beschwerdewert von 10.000,- DM.

Gründe:

Die einfache Beschwerde der Schuldnerin ist das statthafte Rechtsmittel gegen die gemäß § 732 ZPO ergangene Entscheidung des Landgerichts (Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 732 Rdnr. 16).

Die Beschwerde hat Erfolg, weil die Rechtspflegerin die beantragte zweite vollstreckbare Ausfertigung nicht hätte erteilen dürfen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nämlich nicht vor.

Eine weitere vollstreckbare Ausfertigung wird dem Gläubiger gemäß § 733 ZPO erteilt, wenn der Gläubiger ein Interesse an der Erteilung der weiteren Ausfertigung darlegt und berechtigte Interesse des Schuldners dadurch nicht gefährdet werden (Zöller/Stöber, a. a. O., § 733 Rdnr. 4, 5 und 9).

Dabei reicht in der Regel die Darlegung des Verlustes der ersten Ausfertigung. Auf ein Verschulden des Gläubigers kommt es dabei nicht an (a. a. O., Rdnr. 5). Schon an einer solchen Darlegung der Gläubigerin fehlt es, wie die Schuldnerin zu Recht rügt. Die Gläubigerin hat die erste Ausfertigung nicht verloren, ihr Anwalt hat sie nach der Darstellung der Gläubigerin vielmehr vernichtet. Das ist etwas ganz anderes. Nach § 85 ZPO steht das Anwaltshandeln eigenem Handeln der Gläubigerin gleich. Vernichtet ein Gläubiger die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils in vollem Bewußtsein, begründet dies die tatsächliche Vermutung, daß die titulierte Forderung erledigt ist. Bei einer solchen Sachlage kann der Gläubiger sein Interesse an der Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nur dadurch begründen, daß er im einzelnen darlegt, daß und warum er sich geirrt hat. Dazu fehlt jeder Vortrag der Gläubigerin.

Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung ist im vorliegenden Fall aber auch deshalb ausgeschlossen, weil dadurch berechtigte Interessen der Schuldnerin gefährdet werden. Die Schuldnerin hat unstreitig bereits 5.956,66 DM gezahlt. Worauf dieser Betrag verrechnet worden ist, ist unklar. Der Anwalt der Gläubigerin hat nicht nur den Titel vernichtet, sondern auch die seinerzeit geführten Abrechnungsunterlagen. Eine Vollstreckung aus dem Tenor des landgerichtlichen Urteils vom 19. Oktober 1972 zu Nr. 2) kommt schon nach dem eigenen Vortrag der Gläubigerin in dem amtsgerichtlichen Rechtsstreit der Parteien 8 C 245/98 AG Niebüll nicht mehr in Betracht, weil der Kredit bei der Westbank AG erledigt ist. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, aufgrund des Verhaltens der Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin (der dortigen Klägerin) könne es durchaus möglich erscheinen, daß die Schuldnerin (die dortige Beklagte) ihren Zahlungsverpflichtungen vollständig nachgekommen sei.

Es liegt auf er Hand, daß bei einer solchen ungeklärten Sachlage die Interessen der Schuldnerin gefährdet sind, wenn nach mehr als 26 Jahren eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird, aus der noch nicht einmal ersichtlich ist, welcher Restbetrag noch geschuldet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Beschwerdewert hat der Senat auf 10.000,- DM geschätzt.

Ende der Entscheidung

Zurück